Die langen 1950er-Jahre
Filmsequenz [vier] handelt von den Nachkriegsjahren, in denen die handelnden Personen in den psychiatrischen Einrichtungen vielfach noch dieselben waren wie vor und während des Krieges. Die Beharrungskräfte waren noch über Jahrzehnte derart groß, dass sich auch psychiatriegeschichtlich von den langen 1950er-Jahren sprechen lässt. Die psychiatrischen Großkrankenhäuser in Hall und Pergine waren beständig überbelegt und unzureichend ausgestattet, in Südtirol bestand eine einzige unzulängliche Einrichtung, der Stadlhof.
Ehemalige Pfleger und Pflegerinnen kommen zu Wort und ins Bild: Sie erzählen etwa von ihren damaligen Berufspflichten. Sie hatten vorwiegend für Ruhe zu sorgen, Ordnung zu halten und Sicherheit zu gewährleisten. Der Schlüsselbund – so die Selbstauskunft – hätte sie vor allen anderen Dingen gekennzeichnet. Im Unterschied zur allgemeinen Krankenpflege existierte für sie noch bis 1961 keine einheitliche Ausbildung. Während sich in den 1960er- und 1970er-Jahren einige Pflegekräfte in Italien bereits aktiv in die Diskussion um den Wandel der Psychiatrie einbrachten, sollte es in Österreich noch 20 Jahre länger dauern, bis sich Angehörige der Pflegeberufe – gerade im außerklinischen, ambulant gemeindenahen Bereich – als Berufsgruppe für nachhaltige Veränderungen zu engagieren begannen.
Die für Abschnitt vier vorbereiteten Unterrichtsmaterialien fokussieren aus unterschiedlicher Perspektive auf das Thema Pflege. Sie behandeln das schwierige Verhältnis von Zwang und Fürsorge, Gewalt und Schutz in psychiatrischen Einrichtungen und machen das Coverfoto der Filmdokumentation zum Ausgangspunkt einer Bilderreise. Schließlich erzählen sie von der Professionsgeschichte des (psychiatrischen) Pflegeberufs und dem langen Weg zur einheitlichen Ausbildung.
» Unterrichtsvorschlag I: Über das schwierige Verhältnis von Fürsorge und Zwang in der Psychiatrie. Eine historische Fotografie und das Bild im Kopf
» Unterrichtsvorschlag II: Pflege als Profession. Die Kontroverse um die (Pflege‑)Ausbildung von den Anfängen der Psychiatrie bis heute
Unterrichtsvorschlag I:
Über das schwierige Verhältnis von Fürsorge und Zwang in der Psychiatrie. Eine historische Fotografie und das Bild im Kopf
Lernziele:
- Förderung der Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Fürsorge und Zwang in psychiatrischen Einrichtungen und im Kontext psychiatrischer Pflege
- Auseinandersetzung mit Bedeutung und Wirkung von Symbolen, hier dem Symbol des Schlüssels
- Kennenlernen eines spezifischen Quellentypus, der historischen Fotografie, und seiner Herausforderungen an Quellenkritik und -interpretation
- Kennenlernen des Verfahrens der Bildkomplettierung (einschließlich dessen, was dabei vor sich geht)
Basisinformation:
Wie der Filmausschnitt „Die langen 1950er-Jahre“ zeigt, fand der weitaus größere Teil der institutionellen psychiatrischen Praxis bis in die jüngere und jüngste Vergangenheit hinein in geschlossenen Krankenanstalten statt. „Der Dreikant war unser Markenzeichen“, mit dieser Aussage brachte ein ehemaliger Pfleger die Bedeutung des Schlüssels in der Psychiatrie auf den Punkt: Der Schlüssel markiere, wie er meinte, den entscheidenden und nachhaltigen Unterschied zwischen Pflegenden und Patientinnen und Patienten. Der Unterrichtsvorschlag nimmt das Symbol des Schlüssels auf. Er will mit dessen Hilfe den Zusammenhang von Zwang und Fürsorge, von Gewalt und Schutz in psychiatrischen Einrichtungen thematisieren. Eine an der freien Assoziationsarbeit orientierte Vorstellungstechnik nimmt das Titelbild der Filmdokumentation zum Ausgangspunkt der Auseinandersetzung für die Unterrichtseinheit.
Der für das Titelbild der Filmdokumentation ausgewählte Bildausschnitt ist Teil einer historischen Fotografie, die vermutlich aus den 1920er-/30er-Jahren stammt. Das Vollbild zeigt Pflegerinnen, Patientinnen und eine weitere weibliche – nicht eindeutig zuordenbare – Person im Garten der „Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geistes- und Nervenkranke“ in Hall. Der Fotograf ist unbekannt. In psychiatrischen Anstalten war es bis in die 1980er-Jahre üblich, dass Frauen von Frauen und Männer von Männern gepflegt wurden. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass auf dem Foto nur weibliche Personen zu sehen sind. 1881 übernahm in Hall der Orden der Barmherzigen Schwestern, 1882 in Pergine der Schwestern der Göttlichen Vorsehung die Pflege der weiblichen Patienten. Die weltlichen Pflegerinnen waren den geistlichen Schwestern üblicherweise unterstellt. Der für das Unterrichtsbeispiel ausgewählte Bildausschnitt zeigt zwei Konstellationen der historischen psychiatrischen Pflege: Zwang und Fürsorge, symbolisiert durch den Schlüsselbund einerseits und die haltende Hand andererseits.
Arbeitsanregungen Lehrende:
Die Lernenden erhalten ein Arbeitsblatt mit dem Ausschnitt des Fotos. Ohne weitere Informationen werden sie gebeten, in kurzer Zeit und innerhalb des vorgegebenen Rahmens am Ausschnitt weiterzuzeichnen. Anschließend vergleichen sie in Kleingruppen die entstandenen Zeichnungen. Die einzelnen Einfälle und Zeichenversuche werden danach im Plenum gesammelt und die Gründe, warum das Bild so und nicht anders komplettiert wurde, diskutiert. Zeigen Sie abschließend das Foto, aus dem der Ausschnitt entnommen wurde, und vergleichen sie die Ergebnisse. Zur Diskussionsanregung stehen im beiliegenden „Arbeitsblatt Lehrende“ verschiedene Fragestellungen zur Verfügung.
Arbeitsblatt Lehrende: Download PDF (2 Seiten)
Arbeitsblatt Lernende: Download PDF (1 Seiten)
Unterrichtsvorschlag II:
Pflege als Profession. Die Kontroverse um die (Pflege‑)Ausbildung von den Anfängen der Psychiatrie bis heute
Lernziele:
- Kennenlernen der Professionsgeschichte der Berufsgruppe Pflege
- Nachvollzug des langen und kontrovers verhandelten Professionsbildungsprozesses
- Historische Fundierung gegenwärtiger Debatten zur Ausbildung von Pflegekräften, zur Akademisierung des Pflegeberufs und zur Etablierung eigenständiger Pflegewissenschaften
- Förderung des kritischen Quellenlesens und -verstehens
Basisinformation:
Die Frage nach einer entsprechenden Ausbildung psychiatrischen Pflegepersonals findet sich bereits in der Anfangszeit der Anstaltspsychiatrie, allerdings erfährt sie – zumindest was Österreich betrifft – erst in den 1960er-Jahren eine einheitliche Regelung. In einem kurzen Überblickstext werden die wesentlichen Schritte dieser Ausbildungsgeschichte skizziert und mit Quellenmaterial konfrontiert. Der Überblickstext kann die Unterrichtseinheit in Form eines Kurzeinstiegs (Vortrag) einleiten oder als Handout den Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Die drei Quellenstücke aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ermöglichen es, sich vertiefend mit den Diskursen und Kontroversen der Ärzte zur Frage der Ausbildung des psychiatrischen Pflegepersonals zu beschäftigen und mit den in diesem Zusammenhang gefundenen langlebigen, anstaltsinternen Regelungen auseinanderzusetzen.
Professionsgeschichte als Ausbildungsgeschichte
Beginnen wir mit der Feststellung, dass sich die Pflege heute als eigenständige Berufsgruppe mit eigens definierten Rechten und Pflichten versteht. Die gesetzliche Grundlage für Pflegeberufe bildet in Österreich das Gesundheits- und Krankenpflegegesetz.[1] Für die autonome Provinz Bozen gelten teils nationale, teils provinziale rechtliche Bestimmungen für die berufliche Tätigkeit der Krankenpflegerin, der Kinderkrankenpflegerin und Sanitätsassistentin in Form eines Ausbildungscurriculums, eines Berufsprofils, einer Vereinbarung Krankenpflegerin-Bürgerin und dem Deontologischen Kodex.[2]
Für Gesundheits- und Krankenpflegeberufe sind Gesetze und Regelungen hinsichtlich des Tätigkeitsbereichs, der Berufsberechtigung, der Ausbildung und vieler weiterer Bereiche allerdings erst seit relativ kurzer Zeit zur Selbstverständlichkeit geworden. Um genau zu sein, wird das österreichische Gesundheits- und Krankenpflegegesetz im Juli 2011 gerade einmal 14 Jahre alt. Seit damals löst sich die Pflege vom Status des Hilfsberufs der Ärztinnen und Ärzte, theoretische Modelle nehmen Einzug in die Ausbildung, pflegerische Handlungen unterliegen einem Prozessdenken. Durch den jüngsten Schritt der Akademisierung – in anderen europäischen Ländern und in den USA wurde diese Entwicklung bereits viel weiter vorangetrieben – befindet sich die Pflege auch in Österreich auf dem Weg zu einer eigenen Profession.
Sehen wir uns die Professionsgeschichte der Pflege als Ausbildungsgeschichte am Beispiel der psychiatrischen Pflege etwas genauer an.
Wie wurden psychiatrische Pflegepersonen vor 50 Jahren, vor 100 Jahren, vor 150 Jahren ausgebildet, und wer bestimmte über die Ausbildung?
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die Psychiatrie zu einer eigenständigen medizinischen Wissenschaft. Europaweit wurden psychiatrische Anstalten, später auch psychiatrische Kliniken gegründet. Im Bereich der Pflege wurde so genanntes „Wartpersonal“ eingesetzt. „Wärterinnen“ und „Wärter“ hatten verschiedenste Aufgaben zu erfüllen. Wie schon die Berufsbezeichnung ausdrückt, war die Aufsicht der „Irren“ eine der primären Pflichten. Der Begriff der „Wartung“ umfasste daneben aber auch die Aspekte der Fürsorge und Pflege. Zusätzlich zur Pflege und Aufsichtspflicht zählten Putz- und Reinigungstätigkeiten, das Waschen und Nähen von Wäsche, das Heizen und andere hauswirtschaftliche sowie handwerkliche Tätigkeiten zum Alltag des Pflegepersonals.
Wer dieser Lohnarbeit nachgehen wollte, brauchte keine bestimmte Ausbildung vorzuweisen. Im Allgemeinen wurde auf entsprechende Tugenden geachtet, Lese- und Schreibkenntnisse sollte zumindest das „Oberwartpersonal“ besitzen.
Die Erwerbstätigkeit der „Irrenpflege“ war über eine fehlende Berufsausbildung und einen umfassenden Aufgabenbereich hinaus durch dreierlei gekennzeichnet: durch ein schlechtes Ansehen in der Bevölkerung, durch prekäre Arbeitsbedingungen und durch geringen Lohn. Von den meisten wurde sie als letzte Möglichkeit gewählt, sich einen Lebensunterhalt zu verdienen.
Zur Mitte des 19. Jahrhunderts begann unter den Ärzten im deutschsprachigen Raum eine Diskussion, die sich im Wesentlichen darum drehte, was einen guten „Wärter“, eine gute „Wärterin“ auszeichnet, wie deren Arbeitsbedingungen aussehen sollten und vor allem, wie geeignetes „Wartpersonal“ gefunden werden konnte. In diesem Diskurs ging es auch um die Frage nach einer entsprechenden Ausbildung. Da die „Irren“ zunehmend als heilbare Kranke betrachtet wurden, damit einhergehend neue Behandlungsformen eingesetzt wurden, waren auch die Anforderungen an die Pflege einem Wandel unterworfen.
Der zweite Direktor der 1830 gegründeten „k. k. Provinzial-Irrenanstalt“ Hall, Johann Tschallener, vertrat die Ansicht, dass er sich seine „Wartindividuen“ am liebsten selbst heranbilde und dass er von einer Ausbildung derselben oder gar von einer Schule nichts wissen wolle. „Das Wartpersonal braucht gar nicht viel Wissen mitzubringen; wenn es nur guthmüthig, gelehrig und folgsam ist, dann macht sich alles in kurzer Zeit“ (Tschallener 1849). Der Arzt Eduard Kirmsse[3] war hingegen der Meinung, dass eine entsprechende Ausbildung sehr wohl dabei helfen könne, geeignetes Wartpersonal zu finden. „Meiner Ansicht nach sind, nach Art der Hebammenschulen, besondere Lehrinstitute zu errichten, in welchen für den Irrenwärterdienst sich qualificirende Subjecte aus der freien Bürgerwelt, und zwar nach einem noch zu entwerfenden allgemein verständlichen Lehrbuche eine bestimmt Zeit hindurch unterrichtet werden“ (Kirmsse, 1846). [ausführlicher in: Quelle A und B].
In den allermeisten psychiatrischen Institutionen dauerte die Festlegung interner Ausbildungsregelungen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, von allgemeingültigen Regelungen ist man nach wie vor noch weit entfernt.
In der Anstalt in Hall erfolgten Ausbildungsvorschriften neben Dienst- und Lohnfragen für Pflegerinnen und Pfleger seit 1911 nach dem so genannten „Normale“ [Quelle C]. Die Ausbildung darf man sich aber nicht in einem heutigen Sinn vorstellen. Sie bestand vor allem in ärztlichen Instruktionen, in der Vermittlung von Dienstvorschriften und im wechselseitig einfachen Anlernen. Lehrbücher gab es kaum, die wenigen, die im deutschsprachigen Raum zur Verfügung standen, wurden von Ärzten verfasst. Eine „Hausprüfung“ qualifizierte Pflegerinnen und Pfleger der „Landes-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke“ in Hall für die nächsten Jahrzehnte für ihren Beruf. 1954 verfügten aber nur sieben von 37 weiblichen und zwei von 41 männlichen Pflegekräften in Hall über diese hausinterne Prüfung. Das sollte sich erst mit einheitlichen Ausbildungsrichtlinien für psychiatrische Pflege ab 1961 ändern.
Damit wird ein Unterschied zwischen der allgemeinen und der psychiatrischen Pflege deutlich. Für die allgemeine Krankenpflege wurden mit dem Reichsgesetzblatt vom 25. Juni 1914, im Wissen um den Beginn des Krieges, Gründungen von Krankenpflegeschulen ermöglicht. In Innsbruck öffnete eine solche im Jahr 1919 ihre Pforten, vorerst allerdings nur für Frauen. Der erste Mann wurde erst im Jahr 1957 zugelassen. Das hängt damit zusammen, dass sich die allgemeine Krankenpflege im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu einem bürgerlichen Frauenberuf entwickelt hatte.
Neben der Ungleichzeitigkeit in der Professionalisierung durch eine entsprechende Ausbildung gibt es somit noch einen zweiten Unterschied zwischen allgemeiner und psychiatrischer Krankenpflege. Während sich die allgemeine Krankenpflege zu einem weiblichen Beruf herausbildete, stand die psychiatrische – im Gegensatz zur Wahrnehmung, sie wäre als Wärterberuf ein männlicher – beiden Geschlechtern gleichermaßen offen: Frauen wie Männern. Männer arbeiteten auf Männerstationen, Frauen auf Frauenstationen, und dies bis in die 80er-Jahre des 20. Jahrhunderts hinein.
Mit der bundesweit einheitlichen gesetzlichen Regelung des Jahres 1961 war es, wie bereits angesprochen, erstmals möglich, ein Diplom in psychiatrischer Krankenpflege zu erlangen. Gemeinsam mit Auszubildenden der allgemeinen Krankenpflege konnte die Krankenpflegeschule besucht werden. Die zu absolvierenden Stundenanzahlen einzelner Unterrichtsfächer waren auf das jeweilige Diplom, sei es für allgemeine, psychiatrische oder auch Kinderkrankenpflege ausgerichtet.
Ähnlich wie 100 Jahre zuvor hatte man mit Personalmangel zu kämpfen, vor allem bei den männlichen Pflegekräften. In Tirol fand man einen Lösungsansatz darin, die Ausbildung berufsbegleitend anzubieten. Damit wurde über einige Jahre Männern und Frauen eine Diplomausbildung in psychiatrischer Pflege bei gleichzeitigem Bezug des vollen Gehalts ermöglicht.
Gegenwärtig kann in Österreich noch eine eigene Diplomausbildung zum psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpfleger bzw. zur psychiatrischen Gesundheits- und Krankenschwester absolviert werden. Reformen in der Psychiatrie ziehen allerdings auch grundsätzliche Änderungen der psychiatrischen Pflege nach sich. Teilten sich über beinahe 150 Jahre Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger die Betreuung psychisch kranker Menschen, so zogen in den vergangenen Jahren weitere Berufsgruppen in stationäre und außerstationäre Betreuungseinrichtungen ein. Es könnte daher sein, dass – wie in Italien schon jetzt – in Zukunft auf eine eigene psychiatrische Pflegeausbildung verzichtet wird. Deren bisherige Aufgaben könnten Teil einer generalisierten Pflegeausbildung werden. Jedenfalls steht die psychiatrische Pflege im Speziellen und die Pflege im Allgemeinen vor der Herausforderung, ihr zukünftiges Berufsprofil neu zu definieren und als Profession eine wissenschaftlich begründete Basis zu entwickeln beziehungsweise weiter voranzutreiben.
[1] Als Download verfügbar RIS
[2] Deontologischer Kodex 2009 Als Download verfügbar Berufsverband Südtirol
[3] Dr. Carl Eduard Kirmsse war den Autoreniformationen in der Allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie zufolge, Assistenzarzt an der der königl. sächsischen Irren- und Landesversorgungsanstalt zu Colditz gewesen, bevor er sich in Altenburg als prakt. Arzt, Wundarzt, Geburtshelfer und “Secretair der naturforschenden Gesellschaft des Osterlandes” niederließ.
Die beiden Dokumente aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigen die Kontroverse zweier Ärzte hinsichtlich der Wärter- und Ausbildungsfrage. Der Titel eines öffentlichen Preisausschreibens der Leipziger Zeitung aus dem Jahr 1842 lautete: „Wie können für Irrenanstalten menschenliebende Wärter und Aufseher gewonnen werden?“ Der Arzt Eduard Kirmsse hat sich an der Ausschreibung beteiligt, der zweite Direktor der 1830 in Hall gegründeten „k.k. Provinzial-Irrenanstalt“, Johann Tschallener, hat die Preisschriften aus seiner Sicht kommentiert. Anhand ausgewählter Ausschnitte aus ihren Schreiben wird ihre divergierende Sicht der Dinge deutlich.
In diesen Regelungen aus dem „Normale“ vom Jahr 1911 finden sich Vorschriften, welche Qualifikationen eine definitive Anstellung als weltliche Pflegeperson in der Heil- und Pflegeanstalt Hall und Pergine ermöglichen. Neben einer Probezeit waren aus formaler Sicht auch erste Prüfungen abzulegen.
Anregung Lehrende:
Der Überblickstext dient als Grundinformation und kann die Unterrichtseinheit in Form eines Kurzeinstiegs einleiten oder als Handout den Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Anschließend stehen drei Quellen zur Verfügung, die eine vertiefende Auseinandersetzung ermöglichen. Mit den Quellen A und B kann die historische Kontroverse der Ärzte hinsichtlich der Ausbildungsfrage von „Wartpersonal“ erarbeitet werden. Quelle C zeigt die formalen Kriterien der Probezeiten und Prüfungen für eine definitive Anstellung als Pflegeperson in einer Anstalt.
Die Lernenden sollen sich quellenkritisch mit den ausgewählten Textstellen auseinandersetzen. Hierfür empfiehlt sich, zunächst die W-Fragen zu stellen: Wer sind die Verfasser? Wo und wann wurden die Texte geschrieben? In welchem Zusammenhang und wozu wurden sie erstellt? Weitergehende Fragen zu den drei historischen Quellen und Diskussionsanregungen mit Bezügen zur Gegenwart finden sich im „Arbeitsblatt Lernende“.
Arbeitsblatt Lernende: Download PDF (1 Seite) | Word (1 Seite)
Vertiefungsmaterial
(download pdf: auf Titel klicken)
Sabine Braunschweig, Entwicklung der Krankenpflege und der Psychiatriepflege in der Schweiz, in: Ilsemarie Walter / Elisabeth Seidl / Vlastimil Kozon: Wider die Geschichtslosigkeit der Pflege, Wien 2004.
Valerio Fontanari, Gli infermieri di Pergine. Cento anni di storia, in: Punto Omega, Nuova Serie Anno V, n. 12-13 / dicembre 2003, p. 113-127.
Valerio Fontanari, „Fürsorgliche, philanthropische und erfahrene Krankenpfleger.“ Das Pflegepersonal in der Geschichte der psychiatrischen Anstalt von Pergine Valsugana, in: Elisabeth Dietrich-Daum / Hermann Kuprian / Siglinde Clementi / Maria Heidegger / Michaela Ralser (Hg.), Psychiatrische Landschaften. Die Psychiatrie und ihre Patientinnen und Patienten im historischen Raum Tirol seit 1830, Innsbruck 2011, S. 181-187.
Mathilde Hackmann, Pflegegeschichte unterrichten. Eine Handreichung für Lehrende der Pflegegeschichte mit Nutzung der „Quellen zur Geschichte der Krankenpflege“, Hamburg 2010.
Hanna Mayer, „Verwissenschaftlichung“ der Pflege – Chance zur Emanzipation? Ein Diskurs aktueller Entwicklungen unter professionsspezifischem und feministischem Blickwinkel, in: Erna Appelt / Maria Heidegger / Max Preglau / Maria A. Wolf (Hg.), Who Cares? Pflege und Betreuung in Österreich – eine geschlechterkritische Perspektive, Innsbruck-Wien-Bozen 2010, S. 113-122.
Grundlagentext:
Elisabeth Dietrich-Daum / Michaela Ralser, Die „Psychiatrische Landschaft“ des „historischen
Tirol“ von 1830 bis zur Gegenwart – Ein Überblick, in: Elisabeth Dietrich-Daum / Hermann Kuprian / Siglinde Clementi / Maria Heidegger / Michaela Ralser (Hg), Psychiatrische Landschaften. Die Psychiatrie und ihre Patientinnen und Patienten im historischen Raum Tirol seit 1830, Innsbruck 2011, S. 17-41.